Presse
Pferde als Vertrauenslehrer
Ich brauch" das nicht", schoss David (13) als Erstes durch den Kopf. Warum
sollte ausgerechnet er so etwas "Tussenhaftes" machen wie ein Sozialtraining mit Pferden?
"Das ist was für Mädchen, für Weicheier", dachte auch Ender (14). Jetzt sitzen die acht
Hauptschüler von der Elly-Heuss-Knapp-Schule Heilbronn am Tisch und sind vor allem
eines: stolz, dass sie sich getraut haben. Ob sie sich und ihr Verhalten geändert haben?
Sie zucken die Achseln und schätzen "eher nicht".
Kein neuer Mensch
"Das kann ja auch gar nicht sein", vertreibt Rektorin Angelika Biesdorf die kleinmütigen
Selbstzweifel ihrer Jungs, "fünf Stunden Training und dann ist man ein neuer Mensch."
Das hat keiner von den Störenfrieden im Klassenzimmer erwartet. Und trotzdem, das
spüren auch die Jungen, irgendetwas hat sich getan.
"Warum ich? Und sonst keiner aus der Klasse?" David ließ sich schließlich von seiner
Mutter überreden mitzumachen. Im Grunde wissen die Tunichtgute genau, was sie auf die
Pferdekoppel von Simone von Racknitz in Bad-Rappenau-Zimmerhof brachte. Langweilig
ist es ihnen, sie beleidigen und mobben Kinder und Lehrer, sie machen sich gegenseitig
schlecht, hören nicht zu, hampeln rum, machen Unsinn und hin und wieder auch Sachen
kaputt. Kurz, so heißt das im sozialpädagogischen Fachjargon: Sie sind sozial unsicher und
verhaltensauffällig.
Dem entsprechend standen sie das erste Mal am Rand der Koppel. Knopf im Ohr, jeder
isoliert vom anderen, sie schimpften, markierten Desinteresse, ekelten sich demonstrativ
vor den Pferdebollen. Es war Simone von Racknitz" erste Begegnung mit Hauptschülern.
"Was sonst ist, hat mich nicht interessiert und die Pferde auch nicht", beschreibt sie
lachend die Ausgangslage. Die Jungs müssen das gespürt haben. Verdutzt akzeptierten sie
das Du, das ihnen ihr Coach Simone anbot. Es ist Teil der "sehr intimen Arbeit", erklärt sie.
Erstmal Angst
Atilay (14) streichelte sein Pferd. Muat folgte ihm ohne Strick. Der Junge ahnt, wieso:
"Wenn es dir richtig vertraut." Eine kleine Berührung, Ivan (13) stupft seinen Nebensitzer,
"und ein Pferd läuft sofort los." Das war schon ein Bauchkribbeln, auf das riesenhohe
Pferd zu steigen. Auf dem warmen Pferderücken sitzen, die Augen schließen und sich dann
nach hinten legen. "Das Gefühl von Runterfallen hat man immer", gesteht David die
Angst, die sie alle erfüllte.
Reiten lernten sie nicht. Dafür spürten sie Nähe, Respekt vor der Eigenwilligkeit und
Direktheit der Tiere. "Ein Pferd", sagt Annette Rueff, "spiegelt das eigene Verhalten
wieder." Sofort reflektierten die Jungen ihr Tun. Die Schulsozialarbeiterin hat das
Sozialtraining auf der Koppel vorgeschlagen, weil sie "ihren Jungs" solch unverstellte
Begegnung wünschte: Die Ablehnung eines Pferdes kann man annehmen. Und man kann
sein Verhalten korrigieren, um etwas zu erreichen.
Darüber musste keiner nachdenken. Dazu wurde keiner ermahnt. Die Jungen haben es
einfach gemacht. Simone von Racknitz freut sich unbändig über das erwachende Selbst-
Bewusstsein, die erste Spur von Selbstwahrnehmung: "Das sind ganz tolle Jungs."
Heilbronner Stimme Presseberichte als PDF